6 Monate Mexiko: Zweiter Zwischenbericht
Hallo an alle, ein Lebenszeichen!
6 Monate nachdem ich in Chiapas, Mexiko angekommen
bin, steht nun mein zweiter Zwischenbericht an. Ähnlich wie bei dem ersten
Bericht, werde ich diesen in Arbeit und Persönliches aufteilen.
Arbeit:
Die letzten 3 Monate haben für mich bewiesen, wie
wichtig und wie schwierig es sein kann, sich in sein Arbeitsumfeld
einzuarbeiten. Wo ich am Anfang noch das Gefühl hatte, praktisch gar keine
Verantwortung zu bekommen, kann ich jetzt schon viel aktiver in den
verschiedenen Prozessen meiner Organisation teilnehmen.
Zum einen machen wir inzwischen viel regelmäßiger
Workshops mit Kindern und Jugendlichen in Form des Programmes Ecoaprendo oder Escuelas Sustentables. Das erstere wird von verschiedenen Kollektiven
und Organisationen aus San Cristóbal geleitet. So ist mein Team, CECA von Moxviquil, zuständig für die Durchführung
der Workshops in der Reserva Moxviquil,
ebenso wie in der Reserva Huitpec und
im Gartenmuseum Corazón de Jade.
Andere Gruppen übernehmen dafür die Workshops in der Reserva El Encuentro der dem Feuchtgebiet La Kisst. Die Teilnehmenden sind Kinder
und Jugendliche aller Altersklassen, primär aber aus Grundschulen und der
Unter-/Mittelstufe. In den Workshops steht meist das Ökosystem der sogenannten Cuenca del Valle del Jovel im Fokus,
welches sich auf das Tal San Cristóbals und die umliegenden Wälder bezieht. Ein
besonders wichtiger Aspekt ist hierbei das Wasser, das in Chiapas sehr stark
verschmutzt ist und auf der einen Seite die Gesundheit der Menschen gefährdet,
sowie auf der anderen Seite die Ökosysteme im Raum negativ beeinflusst.
Weiterhin reden wir über biologisch Prozesse, wie zum Beispiel die
Photosynthese und den Funktionen der verschiedenen Akteure in der Natur. Auf
der anderen Seite sollen die Workshops aber auch dazu dienen, den Kindern und
Jugendlichen stärkere Empathie für die Natur in ihrer Umgebung zu vermitteln.
So hatten wir zum Beispiel einmal eine Gruppe von eins bis dreijährigen Kindern
im Garten Museum, wovon mehr als die Hälfte nicht einmal sprechen konnte. Dies
stellte sich für unsere Planung zuerst als sehr schwierig heraus und wir
entschieden uns dazu, angeleitet von Handpuppen, zusammen mit den Kindern den
Garten einfach nur zu erforschen und zu erleben. Es war wirklich schön zu
sehen, mit welcher Begeisterung sie Erde von einem Ort an den anderen
transportierten oder, wie sie an den Blumen rochen. Am besten gefiel mir
jedoch, wie wir alle zusammen, und ich an der Ukulele, das Lied „Somos como las
flores“ sangen („Wir sind wie die Blumen“). Auch wenn ich noch Tage danach einen
Ohrwurm hatte.
Ein anderer Teil des Projektes nennt sich Escuelas Sustentables („Nachhaltige
Schulen“) und geht in eine ähnliche Richtung wie Ecoaprendo. Auch hier geben wir Workshops für Kinder, jedoch sind
diese viel mehr auf darauf bezogen, wie die Schulen nachhaltige Konzepte
einbinden können und was die Kinder tuen können, um diese zu stärken. So haben
wir zum Beispiel in einer Schule kleine Beete errichtet, die die Kinder mithilfe
der Lehrer pflegen sollen.
Neben der Arbeit im Bereich Umweltbildung, bin ich
weiterhin viel im Gartenmuseum tätig. Die andere deutsche Freiwillige und ich organisieren
dort die Finanzen, leiten die Cafeteria und helfen bei angehenden Projekten im
Garten mit. In Kooperation mit dem Kollektiv Las Abejas („Die Bienen“) wollen wir das Gewächshaus einrichten und
einen Kompost aufbauen. Um dafür etwas mehr Grundwissen zu erlangen, nehmen wir
jeden Samstag im Februar an von den Abejas
gegebenen Workshops teil. Die ersten zwei waren schon sehr interessant und ich
habe vieles über das nachhaltige Gärtnern und Anbauen gelernt, was ich jetzt
schon in Corazón de Jade anwenden kann. Ich bin darüber erstaunt, wie ignorant
ich und viele andere Menschen gegenüber der Natur und der Herkunft unserer
Lebensmittel sind. So habe ich letztens erst realisiert, dass ein Salatkopf mit
ca. 20 Zentimetern Höhe, noch längst nicht ausgewachsen ist und dass daraus eine
große Pflanze bis über 1 Meter entstehen kann. Damit wir nicht die kompletten
Kosten dieses Workshops tragen müssen, arbeiten wir weiterhin 5 Tage freiwillig
für die Abejas. Dies ist sehr
interessant, da wir einmal unser neu gelerntes Wissen direkt anwenden können
und weitergehend neue Orte in San Cristóbal kennenlernen, an denen nachhaltige
Landwirtschaft betrieben wird.
Obwohl Corazón de Jade offiziell ein Gartenmuseum
ist, nutzen wir den Ort auch für kulturelle Events. So hatten wir inzwischen
schon zwei Buchvorstellungen und fangen seit Februar wieder mit unserem
wöchentlichen Kino, dem Ciclo de Cine,
an. Abgesehen davon, dass sich unsere Arbeitszeiten dadurch ein wenig in die
Länge ziehen, haben sich diese Anlässe immer als sehr interessant erwiesen. Ich
kümmere mich dabei einmal um alle nötigen Vorbereitungen. Weiterhin wurde mir
vor kurzem ebenfalls die Verantwortung über die Facebook Seite von Corazón de
Jade gegeben, sodass ich mich um die Publikation der Events sorge.
Für die folgenden Monate sind außerdem viele
andere Projekte geplant. So wollen wir zum Beispiel ein kleines
Souvenirgeschäft einrichten, um die monatlichen Einnahmen zu steigern und mehr
in den Ausbau investieren zu können. Des Weiteren hat vor kurzem eine US-Amerikanische
Freiwillige mit Biologie Studium bei uns angefangen, womit wir hoffentlich endlich
mit dem Katalog der Pflanzen im Garten vorankommen können. Bis jetzt blieb es
mir und der anderen deutschen Freiwilligen überlassen, Pflanzennamen (aus der
sehr unvollständigen Liste der Pflanzen im Garten) im Internet zu googlen und
irgendwie im Garten zu identifizieren. Dies ist besonders schwierig, da alle
paar Wochen andere Pflanzen blühen und wir somit kaum mit der Beschilderung vorankommen.
Allgemein kann ich sagen, dass ich mich in meinem
Projekt sehr wohl fühle. Das Team, welches zum einen aus Festangestellten und
zum anderen aus mehreren jungen Freiwilligen besteht, ist mir wirklich sehr
sympathisch und ich arbeite gerne mit ihnen zusammen. Meine Arbeit ist sehr
abwechslungsreich, da ich in vielen verschiedenen Bereichen tätig bin, von Umweltbildung
über Kommunikation bis zur Gartenarbeit.
Es gibt jedoch auch ein paar Dinge, die mich
stören. So läuft die Kommunikation in dem Team zur Zeit nicht sehr gut und
einige meiner MitarbeiterInnen fühlen sich von der Chefin herumkommandiert. Es
ist nicht direkt so, als herrsche eine negative Stimmung, jedoch ist es öfter
mal recht unorganisiert. Auch ich fühle mich manchmal so, als würde meine
Chefin mich wie eine Sekretärin benutzen, da ich oft einspringen muss, um jegliches
für die Meetings vorzubereiten, auch wenn ich eigentlich frei hätte. Allgemein
ist meine Arbeit auf intellektueller Ebene auch nicht sehr anspruchsvoll. Dies
kompensiere ich zwar ein wenig dadurch, dass ich an meinem Spanisch arbeite, in
Zeiten ohne konkrete Aufgaben Artikel lese und allgemein über das Jahr eine
persönliche Entwicklung durchgehe. Jedoch fehlt mir ab und zu tatsächlich die
Schule, das heißt konkret neue Sachen zu lernen und Aufgaben zu erledigen, die
mich herausfordern und sehr zum Denken anregen. Es wird interessant zu sehen, wie
ich mich dann im Studium wieder umstellen muss.
Abschließend kann ich also sagen, dass ich in
diesem halben Jahr viel mehr Verständnis für die Natur und dessen Wert erlangt
habe. Das direkte Arbeiten mit der Erde und die verschiedenen Ausflüge in die
Reservate hat mir gezeigt, wie komplex unsere Ökosysteme doch sind und wie entfernt
wir davon leben, worauf ich jedoch im persönlichen Teil nochmal genauer
eingehen werde.
Ich erhoffe mir, dass ich mich weiterhin in das
Team einarbeiten kann und noch mehr Verantwortung bekomme. Außerdem hoffe ich,
dass ich selber mehr Selbstbewusstsein für einige Aufgaben bekomme und somit
mein Jahr zum Vollsten nutzen kann. Dafür bin ich jedoch, soweit ich es
einschätzen kann, auf einem guten Weg.
Persönlich:
Auf persönlicher Ebene geht es mir, wie auch schon
im letzten Bericht erwähnt, immer noch sehr gut. Nach den sechs Monaten habe
ich jetzt auch das Gefühl, aus eher oberflächlichen Beziehungen wirklich
Freundschaften geschlossen zu haben. Dies hilft gerade in den Momenten, in
denen ich meine Familie und Freunde aus Deutschland vermisse. Obwohl mir viele
Sachen noch fremd sind und ich Jahre brauchen würde, um die mexikanische Kultur
gut verstehen zu können, fühle ich mich in meinem San Cristóbal Kontext wie ein
Teil der Gesellschaft. Dies hat wahrscheinlich viel mit meiner wöchentlichen
Routine zu tun, die gelegentlich langweilt, aber mir gerade diese Erfahrung
ermöglicht, die ich durch pures Reisen niemals bekommen hätte.
Natürlich habe ich Momente, in denen mir die
Kleinstadt San Cristóbal auf den Kopf fällt. Irgendwann ist man einfach zu oft durch
das historische Zentrum gelaufen, hat zu oft im selben Club getanzt und viel zu
oft die gleichen Hippie Touristen gesehen. In diesen Momenten habe ich den Reiz
etwas Neues zu sehen, auch wenn ich es vielleicht nicht oft genug ausnutze.
Mein Urlaub auf die Yucatán Halbinsel über Neujahr hat jedoch meine Wanderlust zum
Teil befriedigt und ich fand es spannend, andere Bundesstaaten kennenzulernen
und Mexiko als diverses Land besser zu verstehen. Da dies auf der anderen Seite
aber auch ein sehr touristischer Teil des Landes ist, würde ich gerne noch
andere Staaten sehen, so zum Beispiel Oaxaca und Mexiko Stadt. Hoffentlich
reicht die Zeit (und das Geld), bis Ende meines Aufenthaltes diese Orte noch zu
besuchen.
Zum Thema Heimweh muss ich sagen, dass das
Einzige, was mich nach Deutschland zur Zeit zurückzieht, meine Familie und
Freunde sind, sowie vielleicht der Drang studieren zu gehen. Aber für das Land
an sich, habe ich, offen gesagt, keinen Bock zurückzukommen. Damit will ich
nicht sagen, dass es keine schönen Orte in Deutschland gibt, und sicherlich ist
es Hinsicht auf Sicherheit, Infrastruktur und Lebensmittelhygiene (ja, ich bin
schon ein paar Mal deswegen hier in Mexiko krank geworden) sehr angenehm.
Jedoch habe ich das Gefühl, hier nicht ganz unserer konsumorientierten,
kapitalistischen, surrealen Welt zu verfallen. Zwar gehe ich in San Cristóbal
auch mal in den kommerziellen Supermarkt und nehme online immer noch zu einem
großen Teil an der westlichen Kultur teil. Es scheint mir aber so, als wäre
dies auf einem etwas anderen Level, verglichen mit meinem Leben in Deutschland.
Dies hat zum einen, wie oben schon angedeutet, mit meinem direkten Kontakt zur
Natur zu tun, welche mir hier allgemein noch roher und unberührter vorkommt.
Auf der anderen Seite, sind mir hier aber auch zum Beispiel lokale Lebensmittel
viel zugänglicher. Und allein schon durch die Tatsache, dass mein
Lebensstandard nicht so hoch ist, nehme ich als Individuum weniger an der
übermäßigen Ressourcenausschöpfung teil, die mein Leben im „fortgeschrittenen“
Deutschland vorher impliziert haben. Natürlich muss ich hervorheben, dass dies
die Sicht eines weißen, selbst für deutsche Verhältnisse, privilegierten
Mädchens ist. Viele Deutsche leben nicht so, wie ich es lange gewohnt war. Und
auch hier kann ich warm duschen gehen und lebe nicht im Wald. Tausende
Menschen, gerade in Chiapas, leben sehr viel „einfacher“ als ich. Man merkt
jedoch trotzdem einen Unterschied und, dass wir in Deutschland viele Dinge für
nötig halten, die eigentlich nur unserem Komfort, unserer Gier oder unserer
Lustbefriedigung dienen. Wo vor 3 Monaten bei mir noch eher das „anders sein“
im Vordergrund stand, beschäftigt mich jetzt eher dieses Fortschrittsbild, das
Konzept der ersten und dritten Welt, oder zum Beispiel Problematiken der
Globalisierung. Dies ist ein sehr komplexes Thema, in das ich mich auf jeden
Fall noch mehr einlesen will, jetzt wo ich auf persönlicher Ebene schon ein paar
Erfahrungen gemacht habe. Hiermit möchte ich eigentlich abschließen, bevor dieser
Zwischenbericht in eine komplett andere Richtung geht, als anfänglich erwartet.
Mit so vielen
Gedanken im Kopf, wird einem also selbst beim Unkraut zupfen nicht langweilig.
Liebe Grüße und herzlichen Glückwunsch, wenn du es tatsächlich bis hier unten geschafft hast
Alex
![]() |
| Campen mit dem Team |
![]() |
| Workshop: Ecoaprendo |
![]() |
| Kino im Gartenmusem |
![]() |
| "Flag Football" Team |
![]() |
| Gemüsebeete |







Kommentare
Kommentar veröffentlichen